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„Demokratie für Bergbauern“ oder die Geschichte von den fortschrittlichen Zentralpflügern und den schrulligen Bergbauern

Das Nachstehende Märchen wurde zu Beginn der Stadtteil-Ausschusssitzung am 23. Jänner von Elmar Drexel vorgelesen. Ähnlichkeiten mit lebenden und nicht mehr lebenden Personen sind rein zufällig….

 

Ein Märchen von Klaus Defner

[dropcap]Es[/dropcap]waren einmal Bergbauern, denen wurde in den dunklen Zeiten des Krieges der einzige Dorftraktor weggenommen. Seit damals waren sie auf die Hilfe der Zentralpflüger aus dem Tal angewiesen, wenn sie ihre Felder bestellen wollten. Da es unter den Bergbauern immer wieder Uneinigkeiten gab, welche Felder zuerst gepflügt werden sollten, lehnten sich die Zentralpflüger gemütlich zurück. „Werdet euch erst mal einig! Erst dann beginnen wir mit dem Pflügen.“ Die schrulligen Bergbauern aber blieben sich uneins und die ungepflügten Äcker begannen zu verwildern.

Anstelle von Kartoffeln und Korn wuchsen bei den Bergbauern Hunger und Not. Da beschlossen sie, sich von den Zentralpflügern loszusagen und sich einen eigenen Traktor zu kaufen. Das aber passte den Zentralpflügern überhaupt nicht. Wenn die Bergbauern auch nicht viel hatten, so besaßen sie doch große Felder, auf denen man viele Häuser bauen könnte.

Da stieg ein kluger Zentralbauer ins Bergbauerndorf hinauf. „Wenn ihr mir helft und ich Oberzentralpflüger werde, lasse ich mir was einfallen für euch,“ versprach er ihnen am Dorfstammtisch. Versprochen, gehalten. Sobald er Oberzentralpflüger war, rief er die Gesetzesausdenker zu sich. Am Ende des Tages hielt er einen großen Zettel in den Händen. „Demokratie für Bergbauern“ stand drauf und damit sollte die Uneinigkeit bei den Bergbauern ein für alle mal vom Tisch sein. Der Zentralrat der Zentralpflüger war begeistert von der Idee und ausnahmslos alle hoben die Hand und waren dafür. Auch die Bergbauern waren zufrieden. Weise entschied der neue Bergbauernrat über das Bestellen der Felder und es folgten fruchtbare Jahre.

Das wäre eine schöne Stelle, um diese Geschichte enden zu lassen. Aber leider kam es anders.

Der Oberzentralpflüger wurde Landesoberzentralpflüger. Die ihm nachfolgende Oberzentralpflügerin kannte die alte Geschichte noch gut, hatte Freude mit den Bergbewohnern, spazierte gerne zwischen deren wohl bestellten Feldern und plauderte mit den Bauern. Die Bergbauern waren zwar schrullig, aber auf ihre kleinteiligen Äcker und Wiesen mit Hecken und Blumen achteten sie sorgsam. Überall gab es Spazierwege. Bänke luden zum Seelebaumeln und plätschernde Brunnen zur Labung ein. Aber die Oberzentralpflügerin wurde leider krank und starb bald.

Die neue Oberzentralpflügerin war eine große Freundin der Technik. Viele Stunden verbrachte sie in der großen Traktorgarage, bewunderte die Traktoren und zählte das ganze landwirtschaftliche Gerät durch. Riesentraktoren wurden angeschafft mit denen man noch schneller und günstiger zentral pflügen konnte. Dazu wurden auch alle Flächen im Tal zu riesigen Ackerflächen zusammengelegt.

Die Einzigen, die den Fortschritt jetzt noch bremsten, waren die schrulligen Bergbauern mit ihren kleinen Feldern. Jetzt störte auch der Bergbauernrat, mit dem man über die Jahre so gut zusammen gearbeitet hatte. Die Bergbauern und ihr Rat wollten, dass alles beim Alten blieb. Sie waren der Meinung, dass die kleinen Felder wertvoller wären, als große Felder, auf denen man zwar viel schneller pflügen könnte, die bunten Raine und grünen Hecken mit ihren Blumen und Vögeln aber weichen müssten.

Das Einzige was die Bergbauern sich wünschten, war ein Schutzwall, der ihre Felder langfristig gegen Muren, Lawinen und Steinschlag schützen sollte. Viele Jahre forderten sie schon diese Sicherungsmaßnahme. Ebenso wollten sie mitreden, wo und wie dieser Schutzwall angelegt werden sollte. Lange Jahre passierte gar nichts.

Ohne die Bergbauern zu fragen, planten die Zentralpflüger eines Tages eine große Mauer. „Das gefällt uns nicht, da haben wir keine Aussicht auf die Zukunft mehr,“ riefen die schrulligen Bergbauern. „Ach – das haben wir gar nicht bedacht, das wollten wir natürlich nicht,“ beruhigten die Zentralpflüger freundlich. „Lasst uns bitte mitplanen,“ forderten die Bergbauern. Wieder kamen die Zentralpflüger mit neuen Plänen. „Das wird ja immer schlimmer!“ stöhnten die Bergbauern. Die Mauer war jetzt zwar etwas anders aber viel höher und versperrte den Bergbauern völlig den Weg in die Zukunft, die auf der anderen Seite lag.

Ohne Vorwarnung fuhren riesige Baumaschinen auf und errichteten in kürzester Zeit die gigantische Mauer. „Da drüben liegt eure Zukunft,“ riefen die Zentralpflüger lächelnd. „Lasst euch was einfallen, wie ihr da rüber kommt. Ihr schafft das schon. Wir geben euch genau vier Wochen …“

Schöne Märchen enden anders. Aber die Bergbauern haben ja noch knapp drei Wochen Zeit …