Am 19.4.2019 veröffentlichen die beiden Unterausschüsse Vill und Igls eine gemeinsame Presseerklärung zur geplanten Auflösung der Stadtteilausschüsse mit der Novelle des Innsbrucker Stadtrechts:
Die im bisherigen Stadtrecht von Innsbruck erfolgte rechtliche Verankerung der Stadtteilausschüsse war eine große demokratische Errungenschaft. Dieses – bisher leider nur in Igls und Vill – funktionierende Modell der Bürgerbeteiligung soll durch den vorliegenden Entwurf des neuen Stadtrechtes zerstört werden. An dessen Stelle wird ein Alibi-Instrument gesetzt, das als Meilenstein der Bürgerbeteiligung verkauft wird, in Wahrheit aber wirksame Mitsprachemöglichkeiten beseitigt.
Es wird mutwillig ein Instrument zerstört, das noch im Jahr 2018 als ein positives (FI), gelungenes (ÖVP), wichtiges (FPÖ), gutes (Grüne) Gremium bezeichnet wurde. Der Entwurf des städtischen Rechtsausschusses ist ein klares Zeichen gegen BürgerInnenbeteiligung. Er lädt BürgerInnen nicht zum Mitmachen ein, sondern grenzt mitmachende BürgerInnen aus.
Bei der Kritik der Stadtteilausschüsse Igls und Vill geht es aber nicht um die simple Rettung oder Aufrechterhaltung des status quo. Es gibt einige Gründe, die derzeitige Konzeption zu variieren und sie weiter zu entwickeln. So ist es beispielsweise auf Grund der strengen Auflagen für größere Stadtteile bisher kaum möglich, einen Stadtteilausschuss zu installieren.
Es ist ein wenig erschreckend und beschämend, dass sich die politischen Vertreter der Stadt nicht mit einer Weiterentwicklung demokratischer Mitbestimmungsformen auseinandersetzen wollen. Wenn man nur ein wenig in Österreich, Europa und darüberhinaus recherchiert, würde man interessante Beispiele und Formen für eine ernsthafte Befassung der Einbindung von Bürgern finden.
Als Beispiele können hier die Irische Citizens‘ Assembly (BürgerInnenversammlung), die in Vorarlberg eingerichteten Bürgerräte als partizipative Ergänzung der repräsentativen Demokratie, die Citizens’ Assembly on Electoral Reform in der kanadischen Provinz British Columbia, der mit Ende Jänner 2019 von der Stadt Madrid beschlossene erste permanente Bürgerrat „Observatorio de la Ciudad“, der von der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens Ende Feber 2019 eingerichtete Bürgerrat oder die Bürgerbeteiligungsprozesse in Heidelberg genannt werden.
Einen kleinen Schritt in diese Richtung hatte auch das österreichische Parlament im Rahmen der 2015 abgehaltenen Enquetekommission „Zur Stärkung der Demokratie“ getan. Zur Teilnahme mit Rederecht waren erstmals auch acht BürgervertreterInnen eingeladen. Im Jahr 2018 hat auch die SPÖ im Rahmen der Erarbeitung eines neuen Parteiprogramms Mitgliederräte eingebunden. In der Schweiz gibt es Bestrebungen, die schweizerische Demokratie um ein BürgerInnenkomitee zu ergänzen.
Nichts davon, nicht einmal in Ansätzen, ist in dem neuen Entwurf enthalten. Das derzeit an Stelle der Stadtteilausschüsse vorgesehene Petitionsrecht kann nicht
ersetzen:
- die vorbereitende, aufbereitende, geordnete und strukturierte Kommunikation mit dem Gemeinderat bezüglich stadtteilrelevanter Anliegen und Probleme
- die durch demokratische Wahl legitimierte und von Einzelinteressen unabhängige Vertretung der Bürgerinteressen
- die Gewährleistung einer Vorabfilterung von Einzelinitiativen im Hinblick auf ihre Kompatibilität mit dem Allgemeininteresse
- die Einbindung aller Parteien und Betroffenen in die Kommunikation
- die rechtlich garantierte Einbindung von Betroffenen in alle den Stadtteil betreffenden Angelegenheiten (Raumordnung, Widmungen etc.)
- die Sicherstellung der Entwicklung des jeweiligen Stadtteils und die Erarbeitung von Konzepten
Es wird daher ein Zurück an den Start, die Einbindung der Betroffenen, die Beiziehung von Interessierten und Engagierten aus der Zivilgesellschaft und eine gemeinsame Erarbeitung eines Modells gefordert, das Stadtteilausschüsse nicht abschafft, sondern weiterentwickelt und für alle Innsbrucker Stadtteile möglich macht.