Dr. Klaus Jennewein – Vorsitzender des Unterausschusses Vill – hat nach der in den Medien erstmals kolportierten Abschaffung der Stadtteilausschüsses Igls / Vill einen offenen Brief an die Mitglieder des Stadtteilausschusses Vill übermittelt:
Sehr geehrte Mitglieder des Stadtteilausschusses Vill,
über die Medien – Artikel in der Tiroler Tageszeitung, Beitrag in ORF Tirol – sowie über die Website der Stadt Innsbruck haben ich und sämtliche Mitglieder des Unterausschusses Vill (und auch des Unterausschusses Igls) erfahren, dass die Stadtteilausschüsse nicht mehr notwendig seien und abgeschafft werden.
Es hat eine gewisse Ironie, dass ich in den gestern versandten 12. Mitteilungen des Viller Unterausschusses in meinem Vorwort schreibe:
„Die Stadt Innsbruck hat rechtlich verankert, ihren Stadtteilen eine politische Stimme zu geben. Das ist nicht selbstverständlich und in ähnlicher Weise nur sehr selten umgesetzt.
Der stadtrechtlich verankerte Vertretungsanspruch ist ein Asset, das Chancen und Möglichkeiten gewährt, sich zu artikulieren und nicht – meist versteckten – Einzelinteressen das Feld zu überlassen.
Ich bin tief davon überzeugt, dass die Aufgabe der Stadtteilvertretung gemeinwohlorientiert sein muss.
Nicht alles, was man sich wünscht, wird umgesetzt. Vieles braucht einen langen Atem.
Wir werden weiterhin Wünsche und Ideen aufzeigen, Lösungsvorschläge formulieren und an die zuständigen Stellen herantragen.
Dabei sind wir auch angewiesen auf die Bereitschaft der Villerinnen und Viller, sich in die Entwicklung und Gestaltung unseres Lebensumfelds einzubringen, dabei unterschiedliche Sichtweisen auszuhalten und Kompromisse zu akzeptieren.“
Davon ist jetzt nahezu alles obsolet.
Ohne über den Wert und die Vorteile oder die Mühen und die Nachteile der beiden Stadtteilausschüsse diskutieren zu wollen, interessiert mich derzeit ein Umstand besonders, zu dem ich gerne eine Stellungnahme von Ihnen hätte:
Sie sind entsandte Mitglieder eines nach geltendem Stadtrecht wirksam konstituierten Organs des Gemeinderats, nämlich des Stadtteilausschusses Vill. Sie schaffen sich also in dieser Funktion selber ab.
Wie können Sie es vertreten, dass die gewählten Mitglieder dieses Stadtteilausschusses in dieses Vorhaben nicht mit einem Wort, nicht mit einem Hinweis, nicht mit einer Ankündigung, nicht mit einer Diskussionseinladung, nicht mit einer Konsultation eingebunden wurden?
Wie kann vor dem Hintergrund dieser offenkundigen Missachtung gewählter Vertreter eines politischen Organs davon gesprochen werden, dass
- das ausgearbeitete neue Stadtrecht viele Neuerungen beinhalte, die den Einwohnerinnen und Einwohnern unserer Stadt bessere Möglichkeiten in der Mitgestaltung eröffnen? (Krackl)
- das neue Stadtrecht die Möglichkeit des direkt demokratischen Mitwirkens schaffe und die Hürden für Bürgerinnen und Bürger bei der Mitwirkung geringer geworden seien? (Krackl)
- das neue Stadtrecht ein Mitmach-Stadtrecht sei, dass alle Bürgerinnen und Bürger zur direkten Teilnahme an der Gestaltung unserer Stadt einlädt? (Gruber)
- der Entwurf ein gut gelungenes Werk sei? (Fritz)
- wir gemeinsam durch diese solide Kooperation eine neue moderne Basis für unsere Stadt geschaffen haben? (Schmidt)
- dies nur möglich gewesen sei, indem sich alle, die an diesem Entwurf für ein neues Stadtrecht mitgewirkt haben, kollegial, konstruktiv und kooperativ eingebracht haben und auch bereit waren, Kompromisse einzugehen? (Plach)
Ich lese weiter, dass „im Entwurf für das Stadtrecht Transparenz an vorderster Stelle stehe“. Mit dieser Transparenz ist offensichtlich nur die Transparenz im eigenen Suppentopf gemeint, aber nicht darüber hinaus. Wie könnte man auch von Transparenz reden, wenn es niemand von ihnen Wert gefunden hat, uns als direkt Betroffene und – das sei noch einmal betont – gewählte Mitglieder eines politischen Organs im Vorfeld darüber zu informieren und mit uns das Gespräch zu suchen.
Und dann wird das auch noch damit verkauft, dass mit dem neuen Petitionsrecht eine direkte demokratische Möglichkeit geschaffen werde, dass BürgerInnen sich direkt und über die Stadtteile und die Stadtteilausschüsse hinweg an den Gemeinderat wenden können. Dadurch seien die Stadtteilausschüsse, die bisher die Vorbereitungen für Anträge an den Gemeinderat koordiniert haben, nicht mehr notwendig.
Das suggeriert, dass die Stadtteilausschüsse quasi hinderlich waren, dass sie zwischen den BürgerInnen und dem Gemeinderat gestanden sind und jetzt mit einem Petitionsrecht die direkte Demokratie ermöglicht wird.
Ich wage zu behaupten, dass die betroffenen VillerInnen, die den Stadtteilausschuss gewählt haben, das nicht so empfunden haben. Die nicht unerheblichen Hürden bis zur Einrichtung des ersten Stadtteilausschusses wurden mit deutlich mehr Beteiligten als erforderlich überwunden, die Wahlbeteiligung war bei beiden bisherigen Wahlgängen hoch, die Kommunikation wird als positiv erlebt, der Unterausschuss wird als Sprachrohr verstanden, der dem Ortsteil Gehör verschafft hat.
Deshalb sind die Pläne konkret für Vill ein offener Schlag ins Gesicht. Deren „direkte demokratische Möglichkeit“ wird ihnen nämlich rein faktisch genommen, da die Mindestzahl für das Einbringen einer Petition von den dortigen Wahlberechtigten selbst dann nicht erreicht werden kann, wenn sich alle Wahlberechtigten daran beteiligen. Bei ca. 450 Wahlberechtigten ist das nämlich unmöglich.
Das als „Mitmach-Stadtrecht“ und Einladung an alle Bürgerinnen und Bürger zur direkten Teilnahme an der Gestaltung unserer Stadt darzustellen, bedarf einer gehörigen Portion Chuzpe.
Ich verstehe es nicht und bin in gewisser Weise auch fassungslos ob der offensichtlich fehlenden politischen Intelligenz bei der Umsetzung dieses Vorhabens.
Dr. Klaus Jennewein
Vorsitzender des Unterausschusses Vill